Ildikó von Kürthy
Mit ihren Büchern spricht Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy (52) Millionen Frauen aus der Seele. Jetzt bringt sie ihre Leserinnen selbst zum Schreiben – mit einem außergewöhnlichen Tagebuch, angelehnt an ihren Erfolgsroman “Es wird Zeit”. Im Interview verrät uns die Hamburger Autorin, was das Schreiben für sie bedeutet, an welchen kleinen Momenten ihr Herz hängt und warum ihr Veränderungen ziemlich schwerfallen…
Wie bist du auf die Idee zu dem Tagebuch passend zum Roman gekommen?
Zunächst hatte ich bloß das Gefühl, dass „Es wird Zeit“ noch nicht vorbei sein sollte. Der Roman hatte so vielen Frauen offenbar aus dem Herzen gesprochen, das wollte ich irgendwie weiter transportieren und ausbauen. Ich hatte den Wunsch, meine Leserinnen weiter zu begleiten und sie zusammenzubringen, eine Gemeinschafft zu kreieren, in der man sich gut aufgehoben, begleitet und ermutigt fühlt. So wuchs die Idee, eines Tagebuchs als Herzstück dieser nun entstandenen „Es wird Zeit“-Familie, in der die Leserinnen zu Schreiberinnen werden, zu der ein Podcast, meine Brigitte-Kolumne, meine Shows und, ganz wichtig, meine Homepage gehört. Ein Sammelpunkt für Frauen und ihre Geschichten, eine kleine Heimat im Netz.
Schreibst du auch selbst Tagebuch?
Ich habe früher viel Tagebuch geschrieben. Als ich Ende 20 war und mein berufliches Schreiben immer mehr Zeit in Anspruch nahm, habe ich damit aufgehört. Dachte ich zumindest. Aber bei der Beantwortung dieser Frage fällt mir auf, dass meine Bücher im Grunde meine Tagebücher sind, so viele meiner Fragen, Antworten, Gedanken, Ängste, Zweifel und Überzeugungen fließen in alles ein, was ich schreibe – und ganz besonders eben auch in das jetzt erschienene „Tagebuch zum Klagen, Lachen Klügerwerden“. Da sind ja nicht nur leere Seiten drinne, sondern etliche, sehr persönliche Texte von mir, die ganz genauso auch in meinem Tagebuch stehen würden. So gesehen lautet also meine Antwort: Ich habe nie aufgehört Tagebuch zu schreiben.
Was kann uns das Schreiben eines Tagebuchs geben?
So viel! Es ist eine Heimat, eine Reise und eine Brücke in die Vergangenheit, es schafft Erinnerungen und es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich neu kennenzulernen. Das Schreiben ist ein Weg zu Erkenntnis und Reife. Dafür muss man nicht gut oder richtig schreiben. Während des Schreibens entstehen Gedanken, die sonst ungedacht geblieben wären. Das bedeutet Schreiben. Es ist ein Segen.
Du hast passend zum Tagebuch eine Website gelauncht und publizierst dort deinen neuen Podcast „Frauenstimmen“. Wonach wählst du die Frauen aus, mit denen du sprichst?
Es sind Frauen, die sich und anderen nichts vormachen. Kluge, nachdenkliche, lebenserfahrene Frauen, von deren Ansichten und Einsichten ich enorm profitiere und unsere Zuhörerinnen hoffentlich auch.
Auf der Website gibt es auch eine Rubrik, in der wir unsere Tagebucheinträge teilen können. Brauchen wir Frauen untereinander mehr Ehrlichkeit und Offenheit?
Ich finde, Frauen sind schon ziemlich gut darin, offen miteinander umzugehen. Was wir brauchen sind viel mehr sichere, warme Räume, in denen wir uns wohlwollend austauschen und unterstützen können. So ein Raum soll meine Homepage sein.
In dem Tagebuch gibst du auch Einblicke in dein Leben und schreibst über Erinnerungen und das Älterwerden. Welche Chancen hält das Leben für uns bereit, wenn es in die Jahre kommt?
Im besten Fall geht die Verschrumpelung des Körpers und die schwindende Lebenszeit einher mit einer Reifung des Geistes. Eine wachsende und wohltuende innere Freiheit und Unabhängigkeit entsteht, ein freundliches Selbstbewusstsein, ein waches Wir-Gefühl und eine akzeptierende Haltung all den Abschieden gegenüber, die auf uns zukommen.
Worin liegt für dich das kleine und das große Glück?
Ich bin sehr aufmerksam meinen kleinen, alltäglichen Glücksmomenten gegenüber. Ich freue mich, wenn die Sonne scheint, weil der Hundespaziergang dann mehr Spaß macht. Und wenn es regnet freue ich mich, weil es drinnen so gemütlich ist. Ich liebe gutes Essen und bekomme es zum Glück häufig, ich freue mich, wenn die Familie zusammenkommt und alle von ihrem Tag erzählen und ich liebe den Moment, wenn ich ins Bett gehe und ein Buch aufschlage, das mich aus dem Tag hinausbegleitet. Beim großen Glück bin ich überfragt. Summieren sich diese vielen, kleinen Momente nicht letztlich zu einem großen Glück und vor allem einer großen Dankbarkeit?
Ich bin sehr aufmerksam meinen kleinen, alltäglichen Glücksmomenten gegenüber.
Wir leben in ziemlich turbulenten Zeiten mit großen Umbrüchen und gesellschaftlichen Veränderungen. Welche Entwicklungen siehst du positiv, welche machen dir Sorge?
Ich war schon immer ein Feigling und Veränderungen machen mir in erster Linie immer erst Mal Angst. Ich hänge an Papier, an analogen Begegnungen, an Bühne, Theater, Konzert. Wie wird all das in den nächsten Jahren aussehen? Werde ich mein letztes Buch noch auf Papier schreiben dürfen? Ich bemühe mich, in der mir eigenen Zögerlichkeit, Neues auszuprobieren, wie jetzt den Podcast und die Homepage. Besinne mich aber gleichzeitig zunehmend darauf, Altes, Bewährtes und Geliebtes zu bewahren. Das ist oft ein schwieriges Abwägen.
Du bist auch auf Instagram aktiv – und führst dort quasi ein digitales Tagebuch. Was sind für dich die Sonnen- und Schattenseiten der sozialen Medien?
Ich habe mich sehr bewusst aber auch schweren Herzens dazu entschlossen, mich in den sozialen Medien zu präsentieren. Denn ich weiß genau, wie süchtig diese Kanäle machen und wie leicht es Menschen wie mir passiert, sich selbst und zu viel Zeit dort zu verlieren. All die schönen, schlanken Menschen mit ihren scheinbar perfekten Leben – das muss man erstmal aushalten! Aber es ist eben auch eine Möglichkeit, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, an dem mir so viel liegt.
Du bist nicht nur Bestsellerautorin, sondern auch zweifache Mama. Welchen Rat würdest Du der jungen Generation mit auf den Weg geben?
Gar keinen. Der junge Mensch weiß alles besser. Und so soll es auch sein. Was man als Eltern mitgeben kann ist Liebe und das Urvertrauen in sich selbst und in eine gute Welt.
ZUM LESEN UND SCHREIBEN
Nach dem überwältigenden Erfolg ihres letzten Romans „Es wird Zeit“ legt Ildikó von Kürthy jetzt nach – mit dem dazu passenden Tagebuch. „Es wird Zeit – Das Tagebuch zum Klagen, Lachen, Klügerwerden“ ist nicht nur ein Buch mit leeren Seiten. Es ist eine Aufforderung zum Schreiben, zum Lesen, zum Fragenstellen und zum Zuhören. Es ist ein Ort der Inspiration, wunderschön gestaltet – mit bewegenden, lustigen und zweifelnden Texten der Autorin sowie viel Raum für die Notizen, Gedanken und Geschichten der Leserinnen.
Begleitet wird das Tagebuch von der neuen Website eswirdzeit.de, wo wir weitere Inspirationen und Austausch finden, und dem Podcast „Es wird Zeit – Frauenstimmen“. Hier spricht Ildikó von Kürthy mit wunderbaren Frauen wie Maria Furtwängler oder Doris Dörrie über Ängste und Potenziale, kühne Entscheidungen und über unser Leben, wenn es allmählich in die Jahre kommt.
Fotos: © Jan Rickers